Tim Horvat - (Ljubljana)

Alles ist weiß: die Wände, die Decke, sogar der Boden. Alles ist weiß und strahlend. Das Licht blendet sie. Und ihr Kopf … ihr Kopf tut weh. Sie macht die Augen ein bisschen auf und macht sie sofort wieder zu. Wo ist sie, was ist eigentlich geschehen?
Eine Krankenschwester betritt den Raum und kommt zu ihr. Ihre Haare sind gekämmt, ihr Gesicht ist besorgt und hat vielen Falten. Sie sieht nicht alt aus, aber sie muss schon vierzig sein. Sie legt die Hand auf die Stirn der Pazientin. »Fühlst du dich schon besser, Tea?«
»Mein Kopf tut verdammt weh …«
»Erinnerst du dich vielleicht schon, was geschehen ist? Du hättest sterben können von so vielem Alkohol, Tea. Nächstes Mal hast du nicht so viel Glück.«
Tea versucht, sich daran zu erinnern, was gestern geschehen ist. »Ich weiß schon … Verdammte Scheiße!«
II
Zwei Tage früher
Die Schüler haben schon die Hefte aufgemacht und angefangen, der Professorin Frau Mihael zuzuhö­ren, als die Tür öffnet und ein Junge hinein kommt. Er hat große Augenringe und trägt eine alte Leder­jacke, Armeehose und Stiefel. »Oh, schaut ihr mal, wer aufgetaucht ist!« haucht sie sarkastisch. »Was für ein Privileg haben wir, dass du kommst?« Er sieht sie stumm an und geht in die letzte Reihe.
»Tom, bist du schon wieder betrunken?« fragt Jan laut, als er ihn riecht. Die anderen lachen. »Wann ist das letzte Mal, dass du dich geduscht hast?« sagt Karmen frech. Und Tea: »Wann sehen wir dich das nächste Mal? Du hast dich hier gezeigt, jetzt kannst du schon wieder abhauen!
»Die Resultate der Tests sind schon da, meine lieben Schüler. Es gibt fünf Fünfer, zwölf Vierer un zehn Dreier. Schlechtere Noten gibt es nicht. Karmen, das war sehr gut, 96 Prozent. Nimm den Test, bitte. Auch du, Jan, hast es wunderschön gemacht. Und Mia, du überraschst mich immer – du hast nur einen Punkt verloren.« Mia dreht sich um und lächelt verschwörerisch. »Ich weiß es nicht, wie ihr es schafft, so gute Noten bei allen Fächern zu bekommen, und dazu habt ihr noch Wettkämpfe und so weiter … … … Tea, das wird eine Drei, tut mir Leid. Lerne mehr! … …. Tom, wann wirst du den Test schreiben? Hast du spezielle Privilegien? Hat dir dieser Termin nicht gefallen?« Tom durchbohrt sie mit Blicken aus der letzten Reihe.
Während der Pause reden Mia, Karmen und Jan über eine Party, die in einigen Tagen stattfindet. »Wer­den dich deine Alten zu der Party lassen, Karmen?« fragt Jan. »Tja, hoffentlich, ich hab gute Noten und mach keine Probleme, das werden meine Argumenten. Ich hab eben eine Fünf bekommen und das ist alles, woran sie schauen. Ich weiß nicht, warum ich nicht gehen dürfte.« Mia bekommt eine Idee. »Würdest du mitkommen, Tea? Du hast nie Spaß, du musst dich entspannen, neue Leute kennen lernen, tanzen, nicht nur lernen …« Karmen guckt sie erstaunt an. »Warum diese Langweilerin ein­la­den?« fragt sie leise. Jan versteht Mia schneller. Er weiß auch, dass Tea in ihn verliebt ist. »Komm mit, wir werden Spaß haben, ein bisschen tanzen, reden … Es wird doch Freitag, um Gottes Willen.«
Tea ist nicht sicher, aber als Jan das gesagt hat, ist sie sofort dafür. »Okay, warum nicht!« Sie vergisst, dass sie noch nie zu einer Party gegangen ist, noch wurde sie zu einer eingeladen. Aber sie sieht nur Jan. Er ist süß, witzig, nett und belesen und ist gut in der Schule und streitet nie mit seinen Eltern. Und jetzt hat er sie zu einer geilen Party eingeladen, und sie wird endlich in diese coole Clique eintreten können.
III
Freitag
Die erste halbe Stunde war auch die beste. Sie tanzten, sie lachten, Strahlen von Licht flogen über ihren Köpfen, die Musik war laut und stark und sie genoss wie noch nie zuvor. Endlich fühlte sie sich nicht ausgeschlossen.
Mia haut ab und kommt zurück mit vollen kleinen Gläsern. »Nimm, es ist gut,« sagt sie laut durch das Geräusch der Diskothek. »Was ist das?« »Nur Tequila. Trink schnell aus!« Und Mias Glas ist sofort leer. »Wiiii,« schreit sie und hebt ihre Arme über den Kopf. Karmen greift zwei und trinkt sie aus, »Let’s party, yeah!!« Tea guckt sie an und kann kaum glauben, dass das dasselbe Mädchen ist, wie das in der Schule, die nur beste Noten bekommt und lernt viel.
Jan nimmt zwei Gläser und trinkt einen aus. »Trink, trink, nicht die Stimmung verderben!« überzeugt er Tea. »Wenn ich schon muss,« sagt Tea unsicher und trinkt schnell aus. Sie muss zuerst zurück zum Atem kommen und aaah, es brennt, aber auch heitzt ihren Körper. Sie tanzen weiter und Jan wickelt sich um sie, dreht sich um, macht witzige Gesichter und lacht, lacht und lacht. Er trinkt noch ein Glas und bietet ihr noch eins an. Tea sieht nur seine schönen blauen Augen und trinkt aus.
Nach einer Stunde sagt Mia: »Gehen wir aus, hier kann man gar nicht atmen. Kommt, kommt!« Sie nehmen ihre Jacken von den Haken und verlassen die Diskothek. »Wohin gehen wir?« fragt Tea, ein bisschen ängstlich. »Nur in den Park!« erklärt Mia.
Sie setzten sich auf den Rasen und liegen. Tea zählt die Sterne, aber sie es geht nicht, die Sterne bewegen sich ein bisschen, sie zittern. »Stoßen wir auf unsere neue geile Freundin an!« schlägt Mia vor und holt eine Flasche Wodka aus ihrer Tasche und hebt sie hoch. »Jaaa,« stimmt ihr Karmen zu und lacht aus vollem Hals. »Auf Tea!« ruft Mia und nimmt einige großen Schlucke. Dann gibt sie die Flasche weiter zu Tea. Sie will nicht mehr trinken, aber alle drei spornen sie an und sie kippt die Flasche. Aaaah, Wodka schmeckt schrecklich. Sie gibt sie weiter. Karmen ruft: »Auf Tea!« und kippt die Flasche und es sieht, als ob sie die ganze Flasche austrinken wird! »Hey, hey, Karmen, lass noch uns einen Schluck!« scherzt Jan. Karmen gibt die Flasche zurück zu Tea, die noch einmal anstoßen muss. Sie trinkt noch ein bisschen. Dann nimmt Jan die Flasche und ruft: »Auf Tea!« Mia und Karmen grinsen und wälzen sich im Gras. Und noch einmal muss Tea anstoßen. Sie kann nicht mehr klar denken, ihre Augen gehen zu, sie muss ziemlich besoffen sein, aber die anderen Drei scheinen nur angetrunken und verrückt zu sein.
»Noch eine Runde!« sagt Mia und bietet die Flasche an. Nach weiterem Überzeugen trinkt Tea noch einmal. »Ich kann nicht mehr … ich werde …« Sie dreht sich um und kotzt ins Gras und bald verliert Bewusstsein.
»Ha ha ha … Schaut diese Idiotin, die verträgt gar keinen Alkohol …« lacht Mia.
»Eine besoffene Kuh, sage ich, ha ha ha …«lacht Karmen. »Jetzt verstehe ich, warum du sie eingela­den hast … sie ist so komisch … ha ha ha …«
»Nimm ein Foto! Damit können wir sie ein bisschen veralbern, ha ha ha … Sie ist so dumm!« sagt Jan.
»Gehen wir weiter, lassen wir sie hier. Sie wacht am Morgen auf, wenn ich nur sehen könnte, wenn sie die Augen aufmacht und sich wundert, wo sie ist,« sagt Mia lachend.
IV
Jetzt
Teas Kopf tut weh und ihre Extremitäten gehorchen ihr nicht. Sie beginnt leise: »Wie kann ich hier sein?«
»Es war Tom, dein Mitschüler. Tom hat dich her gebracht. Es war schon vier Uhr.«
»Tom? Was?« Tea öffnet die Augen, überrascht, und macht sie sofort zu wegen des Schmerzens. »Der Tom?« sagt sie verächtlich.
»Tom ist eigentlich nicht solch, wie man denkt. Ich kenne ihn. Er ist mein Nachbar im Wohnblock.«
»Wirklich? Und? Ich kann noch immer nicht glauben. Er ist so … absonderlich, grob.« Tea beginnt mehr zu sprechen. »Und er ist immer so ungeregelt, er scheint betrunken, er stinkt, wäscht sich nie … Er ist immer spät, unausgeschlafen, wenn er überhaupt kommt.«
»Er kommt aus einer zerrissenen Familie. Sein Vater ist Trinker und arbeitslos.«
»Was?« Sie atmet tief ein.
»Er hat einen jüngeren Bruder, um den er sich kümmern muss. Er trinkt nicht … fast jede Nacht arbeitet er in einem Lokal, oft bis zum Morgen, dann geht er direkt zur Schule. Und nach der Schule arbeitet auch, und manchmal auch in der Nacht. Aber sein Vater verschwendet fast immer das, was er so schwer verdient.«
Tränen laufen über ihre Wangen. »Wahrscheinlich ging er nach Hause von Arbeit … Und er hat mich dort gefunden, im Gras. Er hätte mich dort lassen können.«
»Aber er hat es nicht. Er hat dich erkannt und hat dich im Taxi zum Krankenhaus gebracht. Tea, sonst hättest du  erfrieren können! Du hattest großes Glück.«
Die Tür öffnet. Die Krankenschwester dreht sich um und beginnt zu lächeln. Auch Tea sieht fröhlich aus. Dort steht Tom. »Wie geht’s, Tea?«
»Du warst völlig kaputt. Zuerst glaubte ich nicht, dass der Körper, der im Gras lag, du sein könntest! Na ja, hör zu. Mia, Karmen und Jan sind nur verdammte Arschlöcher, das habe ich seit dem ersten Tag gewusst. Sie haben dich kaputt gemacht, nur um Spaß aus dir später zu machen. Sie sind keine Freunde. Okay? Vergiss sie, sie sind Idioten.«