26. Prämierungsrunde des Pegasus-Leserpreises im Herbst 2016

Goldener Lufti - Deborah Ellis: Wenn der Mond am Himmel steht, dann denk ich an dich

Jurybegründung:

„Farrin ließ sich nichts anmerken. Am nächsten Morgen beim Fahnenappel auf dem Schulhof tat sie, als sähe sie Sadira nicht. Trotzdem schaute sie in ihre Richtung für den Fall, dass ... Was eigentlich? Dass Sadira sich in Luft auflöste oder den Text der Nationalhymne vergaß und Hilfe brauchte?

Höre auf, sie anzustarren, ermahnte sich Farrin, aber das konnte sie nicht.“

Farrin ist 15 Jahre, lebt im Iran, stammt aus einer wohlhabenden Familie und besucht eine Schule für Hochbegabte. Nach der islamischen Revolution ist es besser nicht aufzufallen, da es strenge Gesetze und Regeln gibt. Zudem ist Farrins Mutter Schah-Anhängerin, die sich nach den alten Zeiten sehnt. Doch eines Tages begegnet Farrin durch puren Zufall Sadira und ihr Leben verändert sich schlagartig. Sadira ist aufgeschlossen, witzig und einfach das komplette Gegenteil von Farrin. Ehe sich die beiden versehen wird aus ihrer Freundschaft mehr und beide begreifen zu nächst nicht, dass diese Liebe ihren Untergang bedeutet, denn Homosexualität steht im Iran unter Todesstrafe.

Deborah Ellis schneidet kein einfaches Thema an. Ihr teilweise poetisch angehauchter Schreibstil packt von Anfang an. Zudem gelingt es der Autorin, die komplexen und schwierigen Lebensbedingungen im Iran der Islamischen Revolution darzustellen und dabei das Problem der Homosexualität in einem streng islamischen Land anzusprechen. Die Beziehung zwischen Farrin und Sadira stellt Deborah Ellis dabei sehr einfühlsam und nachvollziehbar dar. Die Tragik, die der gesamten Handlung innewohnt, stellt sich durch ihre eindringliche Erzählweise sehr subtil ein. Besonders die Briefe und Gedichte, die Sadira und Farrin austauschen, berühren wegen der anmutigen Sprache. Zu kritisieren sind jedoch das offene Ende, die mangelnde Kinderfreundlichkeit der Handlung und das Fehlen eines glücklichen Endes.

Die Autorin liefert ein sehr packendes und eindringliches Werk, das trotz der ernsten Handlung immer wieder die Bedeutung und Macht der Liebe unterstreicht.

Silberner Lufti - Suzy Zail: Was dir bleibt, ist dein Traum

Jurybegründung:

"Gott?" Alexander lachte laut. "Gott ist nicht hier. Nicht in Auschwitz."

Das Konzentrationslager Auschwitz ist der derzeitige Aufenthaltsort des jungen Alexander. Bereits im Alter von 14 Jahren musste er schon so viel Schreckliches erleben. Und das einzige was ihn noch am Leben hält ist die Hoffnung. Hoffnung und die Aussicht auf ein Leben außerhalb der KZ-Mauern. Auch wenn diese Hoffnung schwindend klein ist, hilft sie ihm. Bei seiner Arbeit als Stallbursche soll er zusätzlich das Pferd des Kommandanten abrichten. Dies stellt ihn vor eine große Herausforderung. Aber er wächst mit der Aufgabe und darf wieder mit seinen geliebten Pferden arbeiten.

Was an diesem Buch fasziniert, ist die gefühlvolle Schreibweise, mit der Suzy Zail Alexanders Leben darstellt. Man hat das Gefühl direkt mit dem Protagonisten verbunden zu sein. Er musste schnell reifen um zu überleben, aber an vielen Stellen merkt der Leser, dass er einfach noch ein Kind ist. Seine Träume und der Wunsch nach einem Leben in Freiheit geben immer wieder Einblicke in seine Gefühlswelt. Durch realistische Beschreibung der Ereignisse fühlt und leidet man wirklich mit Alexander mit.

Bronzener Lufti - Ursula Poznanski: Layers

Jurybegründung:

Wegen seines Vaters ist Dorian weggelaufen und lebt nun auf der Straße. Doch gerade als er sich in seinem Leben wieder zurechtfindet, wacht er eines Morgens mit starken Kopfschmerzen neben einem toten Obdachlosen auf. Dorian kann sich nicht vorstellen, was passiert ist: hat er selbst etwas mit der Tat zu tun? In diesem Chaos bietet ihm ein Fremder überraschend Hilfe an. Dorian nutzt die Gelegenheit, sich vor der Polizei zu verstecken. Der Unbekannte bringt Dorian in eine Villa, wo er neue Kleidung, Essen und sogar Schulunterricht erhält. Natürlich nicht nur aus reinster Nächstenliebe, das begreift Dorian recht schnell. Die Gegenleistung, die von ihm eingefordert wird, besteht im Verteilen von Prospekten für gemeinnützige Organisationen und geheimnisvoller Werbegeschenke. Doch nach einem unerwarteten Zwischenfall öffnet Dorian eins dieser Pakete und wird von diesem Zeitpunkt an rigoros gejagt.

Ursula Poznanski schickt den Leser ohne lange Vorgeschichte mittenhinein in Dorians Leben auf der Straße. Schnell hat man eine gute Vorstellung von der Situation. So eindrucksvoll die Geschichte beginnt, desto abgedroschener kommt einem die Sache mit dem Mord vor. Ein Junge, der bis vor kurzem drauf und dran war sein Abitur zu machen, Jura zu studieren, müsste einen gewissen Verstand haben: eine Leiche, ein plötzlich auftauchender Fremder, der helfen will, und einige konfuse Handlungsabläufe. Das Ganze ist doch einfach zu wirr. Und Dorian nimmt alles hin ohne es wirklich zu hinterfragen.

So wirr es auch scheint, im Buch geht es um sehr interessante Themen, die Kapitel sind angenehm und flüssig zu lesen, aber ab der Hälfte kann es einem doch schon etwas langatmig vorkommen.

Die Themen, die hier im Vordergrund stehen, sind durchaus lesenswert. Obdachlose Jugendliche, die Risiken neuer Technologien und vor allem deren Missbrauch bilden die Grundlage dieses Jugendthrillers. Die Naivität des Hauptcharakters lässt einen jedoch an der Ernsthaftigkeit des Romans zweifeln. Darum leider nur der Bronzene Lufti für „Layers“.

Lauer Lufti - Chris Weitz: Young World - Die Clans von New York

Jurybegündung:

„Ein Land mit Kindern, ist ein Land mit Zukunft“ (Helmut Kohl).

Das mag in unserer Gesellschaft stimmen, aber nicht in der von Chris Weitz geschaffenen Dystopie. Auf der Welt ist eine Seuche ausgebrochen, die alle Erwachsenen und alle kleinen Kinder getötet hat. Die einzigen Überlebenden sind die Jugendlichen, die nun in einer Welt des Chaos und der Gewalt verzweifelt um ihr Fortbestehen kämpfen. Auch wenn sie wissen, dass sie keine Zukunft haben und ihre gesamte Rasse unausweichlich der Auslöschung entgegengeht. In dieser Welt gibt es fünf Teenager, die die Hoffnung noch nicht aufgegeben haben und sich auf die Suche nach einem Heilmittel begeben.

Chris Weitz hat in seinem Buch eine unglaubwürdige Idee eingebracht und konnte sie trotzdem plausibel erklären. Es ist ihm gelungen eine relativ realistische Beschreibung der zukünftigen Welt und des Lebens der Jugendlichen zu liefern. Die jugendliche Sprache ist sehr gut auf diese Altersgruppe eingestimmt, wobei die vielen Schimpfwörter das Buch nicht sonderlich herunterziehen, aber auch nicht aufwerten. Die Geschichte ist aus der Ich-Perspektive zweier befreundeter Teenager erzählt, Jefferson berichtet sehr reif und Donna sehr pubertär. Dadurch kommt es zu einer angenehm abwechslungsreichen Sprache.

Obwohl es sprachlich gut gemacht wurde, konnte vom Leser kaum eine emotionale Bindung zum Geschehen und den Charakteren entstehen, weil zu wenig beschrieben wurde. Vorrangig geht es um Kämpfe, die nur durch einen kurzen Reisepart unterbrochen werden, was zwar zuerst eine gewisse Spannung erzeugt, aber nach einer Weile nur noch langweilig ist. Außerdem ist das Buch dadurch sehr szenisch angelegt. Am schlimmsten ist jedoch das Ende, das keine gute Vorbereitung auf den zweiten Teil ist. Alles was der Autor im Verlauf des Geschehens aufgebaut hat, wird zerstört und lässt dem Leser nur noch ein Gefühl des Unglaubens.