24. Prämierungsrunde des Pegasus-Leserpreises vom Oktober 2015

Goldener Lufti - David Levithan: Letztendlich sind wir dem Universum egal

Jurybegründung: „Ich bin nicht der, für den du mich hältst.“ Das ist A. nie. Seit seiner Geburt wacht er jeden Morgen in einem anderen Körper auf, in einer anderen Stadt, in einem anderen Leben. Dabei ist es egal, ob Mädchen oder Junge, drogensüchtig oder gesund, reich oder arm. Jahrelang hat er sich an Regeln gehalten, um sich und das Leben anderer nicht zu gefährden. Doch mit 16 Jahren ändert sich das: denn A. verliebt sich und gerät in Gefahr, nicht nur sein Leben über den Haufen zu werfen, sondern auch das seiner Körper und seiner großen Liebe Rhiannon. Einzig die Erkenntnis, dass Menschen sich nach Stabilität sehnen und zu zerbrechlich sind, um mit einem wie ihm zusammen zu sein, begleitet ihn weiterhin und hilft ihm Entscheidungen zu treffen.

David Levithan verfolgt in seinem Buch eine äußerst interessante Idee. Diese ermöglicht ihm, verschiedene Lebensweisen näher zu beleuchten und sie aus einer anderen Perspektive als normalerweise darzustellen. Er wirft viele ungewöhnliche Fragen der Menschlichkeit auf, die er geschickt in seiner Geschichte über A. und Rhiannon einzubauen weiß. Aufgrund der Einfachheit der Sprache und der klaren Struktur vermittelt der Autor die doch kompliziertere Story leicht. Zudem hat Levithan das Problem, den Charakter des Körpers und A.'s Charakter zu differenzieren, gut gemeistert, indem er den Ich-Erzähler von Zeit zu Zeit von seinem Körper distanziert erzählen lässt. Allerdings ist er dabei manchmal zu sehr auf Details eingegangen, weshalb an diesen Stellen die Spannung fehlt. Am Ende lässt der Autor sehr viele Fragen offen, so dass diese manche Leser noch lange weiterbeschäftigen werden.

Silberner Lufti - Klaus Kordon: Joss oder Der Preis der Freiheit

Jurybegründung: Was ist der Preis der Freiheit? Joss muss diese Frage am eigenen Leib erleben, als französische Besatzungstruppen seine Familie töten und er als Kleinkind bei einer Pflegefamilie unterkommt. Jahre später schließt sich der anfangs von blindem Hass geleitete 15-jährige dem Lützower Freikorps an. In dieser Widerstandsgruppe trifft Joss den Jurastudenten Thies, der ihn lehrt, seine einseitige Sicht auf die Dinge abzulegen. Klaus Kordon schafft es, die Entwicklung Joss' von einem impulsiven Jungen zu einem nachdenklichen Erwachsenen darzustellen.

Mit fesselnden Diskussionen zwischen Joss und Thies regt Kordon dabei auch die Leser zum Nachdenken und Philosophieren an. Die Ich-Erzählperspektive und die gute Wahl des Szenarios lassen einen im gesamten Buch nicht los und treiben immer wieder zum Weiter­lesen an. Die historischen Zusammenhänge sind für Leser jeden Alters gut nachvollziehbar. Der Autor historischer Jugend- und Kinderliteratur verarbeitet in „Joss“ die wechselhaften Gescheh­nisse der napoleonischen Kriege und der Befreiungs­kämpfe der Völker Europas, die schlussendlich zur Vereinigung Deutschlands führten. Klaus Kordon ist es hervorragend gelungen, historisch anspruchsvollen Stoff mit einer mitreißenden Freundschafts­geschichte zu verbinden.

Bronzener Lufti - Julie Berry: Lasst uns schweigen wie ein Grab

Jurybegründung: „Igitt“ stieß Martha Einfältig aus „Du hast einen Toten auf meine Brille atmen lassen.“

Sieben Mädchen leben zum Ende des 19. Jahrhunderts zusammen mit ihrer übellaunigen und geizigen Direktorin Mrs. Plackett in einem Internat. Bei einem der üblichen sonntäglichen Essen fällt Mrs. Plackett tot um und auch ihr Bruder Mr. Godding segnet wenige Augenblicke später das Zeitliche. Die jungen Damen müssen rasch entscheiden: zurück nach Hause, was für keine von ihnen die optimale Lösung wäre, oder sie führen selbst das Internat. Sie beschließen, die Toten im Vorgarten zu begraben. Schnell stellen die Mädchen jedoch fest, dass dies leichter gesagt als getan ist – denn genau in diesem Moment klingelt es an der Eingangstür, und vor ihnen stehen die ersten Gäste für eine Überraschungsparty zu Mr. Goddings Geburtstag. So nimmt das Übel seinen Lauf und die Sieben versuchen, mit allerhand Täuschungsmanövern und Lügengeschichten den Tod der Direktorin und ihres Bruders zu vertuschen.

Julie Berrys Schreibstil wirkt trotz des historischen Stoffes nicht altmodisch. Ihre Charaktere sind sehr gut beschrieben und mit der Zeit denkt man, wirklich jedes einzelne der Mädchen – mit all ihren Besonderheiten – zu kennen. Natürlich helfen die Spitznamen der Freundinnen, wie zum Beispiel Kitty Schlau oder Alice Robust, den Überblick zu behalten. Hat man sich die Figuren allmählich eingeprägt, lesen sich die Kapitel leicht weg. Lediglich in der Mitte stockt die Spannung ein wenig. Man kann das Buch "Ab 11 Jahren" empfehlen, da es sich nicht um einen kompliziert gestrickten Kriminalroman handelt. Der skurril-schwarze Humor, die Situationskomik und die vielen Twists ergeben ein absolutes Lesevergnügen.

Lauer Lufti - Gina Mayer: Alle Augen auf dich

Jurybegündung: Myriam Bellinger ist jung, hübsch und in der Internetserie “Missing“ der gefeierte Star. Sie spielt die Hauptrolle: die der entführten Noemi. Das Perfide an der Geschichte – Myriam ist nun auch im echten Leben verschwunden. Und die Entführer fordern zwei Millionen Euro Lösegeld. Kann das Geld gezahlt werden und überlebt Myriam ihre Entführung? Kommissarin Amelie Fröhlich und ihr Kollege Dürr sollen den Fall lösen. Wir begleiten die beiden Kommissare bei ihrer Polizeiarbeit und den Versuchen, allen Hinweisen nachzugehen. Dabei lernen wir Myriams festen Freund Joe und ihre beste Freundin Lilly kennen – mit ihren Geheimnissen.

Erzählt wird aus mehreren Perspektiven, hauptsächlich aus der Sicht der Ermittlerin Fröhlich. Es fällt schwer, die verschiedenen Perspektivwechsel nachzuvollziehen, da die Haupthandlung immer weiter in den Hintergrund gedrängt wird und die Bedürfnisse des jeweiligen Erzählers mehr und mehr in den Vordergrund rücken. Aus diesem Grund zieht sich Gina Mayers „Thriller“ auch unnötig in die Länge und wirkt langweilig. Viele Passagen tragen überhaupt nicht zur Auflösung des Entführungsfalles bei. Das Erzählen scheint rein formal gut gelungen, dafür sind aber inhaltlich Abstriche zu machen: man kann mit keinem der Erzähler eine Verbindung aufbauen und sie werden einem auch nicht wirklich sympathisch. Es ist ein nervenaufreibendes Buch, weil die Nerven während der Lektüre leiden müssen, so dass man auf Dauer immer widerstrebender liest. Es gibt keine Spannung, keine vernünftige Handlung und mit Kommissarin Fröhlich eine teilweise inkompetente Erzählerin, die durchweg überfordert ist. Das Buch hat den „Lauen Lufti“ in der Tat verdient.