23. Prämierungsrunde des Pegasus-Leserpreises vom März 2015

Goldener Lufti - Gabrielle Zevin: Bitterzart

Jurybegründung: Anyeschka Balanchine ist 17 Jahre alt, Waise, lebt mit ihrem geistig behinderten Bruder Leo­nard, ihrer kleinen Schwester Natalya und ihrer kranken Oma in ferner Zukunft. Diese Um­stände machen ihr Leben nicht leichter, aber sie weiß damit umzugehen. Aber dann kommt noch dazu, dass im Jahr 2078 Schokolade strengstens verboten ist. An sich nichts Drama­tisches, aber da gibt es noch eine Kleinigkeit, die man über Anya wissen muss. Ihr Vater war einer der größten Mafiabosse, bis er umgebracht wurde. Und womit hat er gehandelt? Mit Schoko­lade natürlich. Die kriminellen Machenschaften der Familie machen auch vor Anya nicht halt. Und dann ist da noch Win. Der gutaussehende, charmante und einfühlsame Win, der Anya den Kopf verdreht. Aber Win ist nicht irgendwer. Er ist der Sohn des Oberstaatsanwalts. Hat diese Liebe überhaupt eine Chance? Anya muss sich entscheiden – für ihre Familie oder für Win?

Bitterzart ist der fulminante Auftakt der „Schokoladen-Trilogie“ von Gabrielle Zevin. Das Buch überzeugt durch die starken Charaktere und den bittersüßen Humor der Autorin. Obwohl die Handlung in der Zukunft spielt, hat die Szenerie einen altmodischen Touch, der dem Buch einen gewissen Charme verleiht. Die leicht lakonische Er­zähl­weise bietet einen guten Kontrast zu der teilweise doch außer­gewöhnlichen Handlung. Während des Lesens hatte man aber im­mer einen leichten Beigeschmack von Romeo und Julia, zwei Lieben­de dürfen wegen ihrer Familien und Herkunft nicht zusammen sein.

Ich bin mir sicher, dass „Bitterzart“ in der heutigen Zeit durch diese neue frische Art und mit der Kraft der jeweils so verschiedenen aber ausdrucksstarken und liebenswürdigen Charaktere brillieren wird. „Bitterzart“ hat zu Recht den Goldenen Lufti gewonnen und darf sich auf die gleiche Stufe zu vielen Top-Autoren wie u.a. John Green, Ursula Poznanski und Markus Zusak gesellen. (Frankfurt am Main: Fischer, 2013)

Lena Rosse

Silberner Lufti - Rachel Cohn: BETA

Jurybegründung: „Die Menschen hier auf Demesne nennen uns ‚Klone‘. Ich selbst nenne mich bei dem Namen, den Dr. Lusardi mir bei meiner Erschaffung gegeben hat – Elysia. Ich wurde erst vor ein paar Wochen erschaffen. Ein Mädchen, sechzehn Jahre alt.“

Die Insel Demesne ist ein Paradies für alle, die es sich leisten können. Den Menschen, die dort leben, mangelt es an nichts. Alle Arbeiten werden von Klonen erledigt, zu denen auch Elysia gehört. Doch sie ist anders: Sie hat Gefühle, einen eigenen Willen. Und sie will frei sein. Doch sie darf sich nichts anmerken lassen, denn „defekte“ Klone werden ohne Gnade verfolgt. Als sie sich in Tahir, einen Jungen voller Geheimnisse, verliebt, beschließt sie zu fliehen …

Elysia wirkt sehr sympathisch. Sie lernt recht schnell, Dinge zu hinter­fragen, was im Widerspruch zu ihrer Rolle steht, und ist stets neugierig und aufgeschlossen. Sie verhält sich perfekt und lernt langsam, was das Leben wirklich ausmacht und ist mutig genug, auch mal "nein" zu sagen. Ihre neue Familie, in der sie lebt und dient, ist voller ignoranter und kalter Menschen, ausgenommen die kleine Tochter. Trotzdem versucht Elysia sich mit den Menschen dort zu arrangieren, entsprechend ihrer Aufgabe als Gesellschafterin und „Tochter-Ersatz“.

Die Autorin erzählt bildhaft und klar. So hat sie es geschafft, die veränderte Welt nach den sogenannten „WaterWars“, besonders De­mes­ne, anschaulich darzustellen. Umso passender ist es, dass diese Welt aufgemischt wird und es unter der Oberfläche zu brodeln beginnt. Die Beziehung zwischen Elysia und Tahir ist unentschieden dargestellt, denn es scheint keinen wirklichen Anfang zu geben.

Leider gibt es noch ein paar weitere Dinge, von denen der Leser zu wenig erfährt. Zum Beispiel werden Kolonien im Weltraum erwähnt, doch nur nebenbei. Auch unter den „WaterWars“ kann man sich nicht wirklich vorstellen, was gemeint ist (trotz des Namens), wer gegen wen kämpfte, …

Alles in allem ist BETA ein Buch mit Potenzial für eine Fortsetzung, denn am Ende geraten die Geschehnisse ziemlich durcheinander und viele Fragen bleiben offen. (München: Random House, 2013)

Janine Basel

Bronzener Lufti - Michelle Hodkin: Was geschah mit Mara Dyer?

Jurybegründung: Es gab einen Unfall. Einen schrecklichen Unfall, den niemand überlebte – außer Mara. Um nicht ständig mit dem Tod ihrer Freunde konfrontiert zu werden, ist Mara mit ihrer Familie in eine neue Stadt gezogen. Aber was geschah eigentlich in jener schicksalhaften Nacht? Warum konnte aus­ge­rechnet sie überleben?

Schreckliche Visionen ihrer toten Freunde und fürchterliche Albträume plagen Mara und treiben sie mehr und mehr in den Wahnsinn. Als sie merkt, dass sie vor ihrem Gewissen und ihren Erinnerungen nicht länger davonlaufen kann, sucht Mara Hilfe – und findet sie ausgerechnet bei ihrem selt­samen Mitschüler Noah, der ein eigenes dunkles Geheimnis hütet.

Der Einstieg packt den Leser direkt mit seiner eindringlichen Erzähl­weise. Maras Erlebnisse werden aus der Ich-Perspektive wieder­gegeben, was die Spannung erhöht. Michelle Hodkin gibt dabei nicht nur die dunklen Seiten von Maras Leben wieder, sondern schildert eindrucksvoll und oft mit einem Augenzwinkern das alltäg­liche Leben der Protagonistin. Und die hat es nicht einfach. Neu an der Schule, muss sie sich mit vielfältigen Problemen herumschlagen. Dabei gleitet die Autorin leider bei einigen Charakteren in Klischees ab, wie beispielsweise bei der arroganten High-School Zicke oder dem ewig verschlafenen Noah. Der Kontrast zwischen der Protago­nistin und den Nebencharakteren schadet der Authentizität an einigen Stellen. Das kann Hodkin jedoch mit ihrer fesselnden Erzähl­weise mehr als ausgleichen: sie rückt immer wieder die Handlung in den Vordergrund.

Alles in allem hat Was geschah mit Mara Dyer? viel anzubieten und konnte mich lange nicht loslassen. Ich freue mich auf die Übersetzungen der nächsten Teile und empfehle dieses Buch jedem, der sich für Thriller interessiert. (Müchen: dtv, 2013)

Jan-Malte Schulz

Lauer Lufti - Jennifer Rush: Escape

Jurybegründung: „Flieh, renne um dein Leben und kehre nie wieder nach Hause zurück ...“

Anna ist ein normales Mädchen – na ja mal ganz davon abgesehen, dass sie privat unterrichtet wird, ihr Vater für die Sektion arbeitet und ein privates Labor hat, in dem vier Jungs leben müssen. Anna hilft ihrem Vater bei den Experimenten und verliebt sich in einen von den Gefangenen. Eines Tages kommt der Chef der Sektion und will die Jungen mitnehmen. Anna ist überfordert und muss sehen, wie die Jungs sich nur betäubt stellen und dann die Agenten unschädlich machen. Annas Vater fordert, die Jungs sollten fliehen und Anna mit sich nehmen. So wird Anna von ihnen mitgeschleift. Bei dieser Flucht kommt sie ihrer Vergangenheit näher und auf einmal scheint alles keinen Sinn mehr zu ergeben.

Leider wird recht viel Fokus auf die Liebesgeschichte gelegt. Ich finde zwar, dass sich das Ganze gut in der Waage hält mit der Spannung und Action – aber ein klein wenig mehr von beiden wäre trotzdem nicht schlecht gewesen.

Die Ich-Erzählerin Anna wirkt anfangs etwas unbeholfen und nüchtern, die Gefühle der Wut und Trauer wurden erst nach der Hälfte der Handlung verständlich. Dann ist der Leser gepackt, denn die ganzen Geheimnisse, die Anna mit den Jungs aufdeckt, sind überraschend und sorgen für spannende Wendungen.

Die Handlung schickt auf eine Suche nach der Vergangenheit – eine Ver­gangenheit, die für jeden von ihnen Ungeahntes bereithält. Die Autorin lässt den Leser genau wie Anna immer nur stückweise er­fahren, was die Hintergründe betrifft, und gleichzeitig werden immer wieder neue Fragen aufgeworfen. Über ein paar kleine Un­stim­migkeiten bin ich gestolpert, die mir das Verhalten gerade von Anna und auch einige Zusammenhänge nicht logisch erscheinen ließen – ich hab mir darüber aber nicht den Kopf zerbrochen, weil ständig etwas Unerwartetes passiert und man einfach mitgerissen wird. (Bindlach: Loewe, 2013)

Konrad Drobek