17. Prämierungsrunde des Pegasus-Leserpreises vom 18. März 2010

Goldener Lufti - Meg Rosoff: Damals, das Meer

Jurybegründung - „Es ist ein seltsames Gefühl, im Leben eines anderen Menschen zu wohnen, sich ständig zu fragen, was er tut oder denkt oder fühlt.“

Hilary, ein ruhiger, desinteressierter Junge hält sich auf keinem Internat besonders lange. Seine letzte Chance und die größte Hoffnung seiner Eltern ist St. Oswald – Auffangstation für ge­scheiterte Schüler und skurrile Lehrer, die durch schwere Schicksalsschläge gezeichnet sind. Hilary fühlt sich in diesem seltsamen Internat reichlich deplatziert und findet in einer kleinen Fischerhütte direkt am Meer Zuflucht. Zwischen ihm und dem dort sehr abgeschieden lebenden Finn entwickelt sich eine innige Freundschaft.

Wie auch in Meg Rosoffs anderen Büchern macht der Protagonist einen schwierigen Selbstfindungsprozess durch. Hilarys Gefühlswelt ist verwirrt und er schwankt ständig zwischen der Angst, die Regeln in St. Oswald zu brechen, und einer starken Bewunderung für Finn, die nicht nur dessen Aussehen, Mimik und Gestik umfasst, sondern auch seine abgeschiedene Lebensweise.

Obwohl die sehr präzisen Gefühlsbeschreibungen einen krassen Kontrast zu den ebenfalls ausführlichen Beschrei­bungen des Meeres bilden, scheinen die Naturbeschrei­bungen nicht selten auf Hilarys Empfindungen übertragbar. Meg Rosoff erzählt fesselnd und die verschiedenen Darstellungen der Natur sind überhaupt nicht wegzudenken. Letztendlich werden die angestauten Fragen, die sich der Leser wie auch Hilary über Finn und seine seltsam-anziehende Aura stellt, gekonnt mit einem überraschenden Schluss aufgelöst. Worüber sich auch unser Pferdchen sehr freut und breit grinsend den Goldenen Lufti vergibt.

Silberner Lufti - Tamar Verete-Zehavi: Aftershock

Jurybegründung - Ella verabredet sich mit Jerus, der besten Freundin, am Supermarkt in ihrer Jerusalemer Straße. Wäh­rend sie einkauft, verübt eine palästinen­sische Selbstmord­atten­täterin einen Anschlag auf den Markt. Ella wird verletzt ins Kranken­haus gebracht, dort erfährt sie, dass Jerus bei dem Attentat getötet wurde. Ella findet nicht ins Leben zurück. Von allen Seiten erhält sie nur Mitleid, aber niemand erkennt ihre wahren Probleme, bis sie auf den Araber Maher stößt. Mit seiner Hilfe versucht sie mehr über die Selbstmordattentäterin und die Gründe für ihre Tat heraus­zufinden. Allein er zwingt sie, sich mit dem Gesche­henen auseinanderzusetzen, um so den Tod ihrer besten Freundin zu verarbeiten. Mit Unterstützung durch seine intensiven Ge­spräche schafft sie es sogar, den Supermarkt wieder zu betreten. Die Autorin setzt sich in ihrem Werk „Aftershock“ mit dem Nahostkonflikt auseinander, analog dazu befindet sich auch die Protagonistin des Buches in einer innerlichen Zerrissenheit. Das Geschehen wird aus der jüdischen Sicht von Ella geschildert und mit der arabischen Perspektive von Maher konfrontiert. Die Autorin schafft es trotz des schwierigen Themas selbst dem mit der Situation unver­trauten Leser die Problematik nahe zu bringen. Tamar Verete-Zehavi setzt Ella als Ich-Erzählerin ein, so kann man die Konflikte mit den Freunden und der Familie, das belastete Verhältnis zwischen der jüdischen und arabischen Bevölkerung sehr gut nach­vollziehen. Unser Luftipferdchen weiß jetzt, dass es besser ist, den Menschen in manchen Situationen mit seinem Problem wahrzunehmen statt ihn zu bemitleiden.

Bronzener Lufti - Valérie Dayre: Miranda geht

Jurybegründung - Alexandre ist ein kleiner Glücks­pilz. Häufig findet er Münzen auf der Straße, die er dann in einem Bonbon­glas spart und normaler­weise fürs Kino ausgibt. Doch dieses Mal ist es anders. Alex wird durch bunte Plakate an den Hafen­mauern auf den kleinen Kuriosi­täten­zirkus Théodule aufmerk­sam. Als Alex seine große Schwester Claire überredet, mit ihm dorthin zu gehen, treffen sie auf eine Sensation: Miranda, die dickste Frau der Welt. Die beiden sind schockiert und traurig zugleich, als Miranda ihnen gesteht, dass sie noch niemals am Meer war, sondern ihr Leben bisher nur in dem tristen Zirkus gefristet hat. Kurzerhand beschließen die beiden, Miranda zu entführen. Was zunächst nach einer Wendung zum Guten klingt, nimmt ein sowohl schönes als auch tragisches Ende für die dickste Frau der Welt.

Auf den ersten Blick wirkt „Miranda geht“ wie ein Kinderbuch: geringe Seitenzahl, himmelblauer Einband, dunkelblaue Schrift. Auf den zweiten Blick wird klar, dies ist kein Kinder­buch wie jedes andere. Nicht nur die tief ergreifende Geschichte macht das Lesen lohnenswert, sondern auch die kindliche Sprache. Die Charaktere verleihen dem Buch seinen ganz eigenen Charme und sprechen Kinder wie Erwachsene an. Und auf den dritten Blick lässt sich feststellen, dass sich hinter der naiv wirkenden Handlung der Appell verbirgt, Menschen die anders sind, in die Gesellschaft zu integrieren.

Unser Pferdchen erkennt sofort, dass es sich hierbei um den Bronzenen Lufti handelt.

Lauer Lufti - Pseudonymous Bosch: Der Name dieses Buches ist ein Geheimnis

Jurybegründung - Die junge Kassandra ist eine Überlebenskünstlerin, für den Notfall ist sie immer auf eine Katastrophe vorbereitet. Deswegen ist sie überglücklich, als die geheimnisvolle „Symphonie der Düfte“ im Antiquitätengeschäft ihrer Ersatz-Großväter auftaucht und sich ein Abenteuer anbahnt. Zusammen mit ihrem quasseligen Freund Max Ernest versucht sie das Rätsel um den vorherigen Besitzer der Symphonie, einen mysteriösen Magier, zu lösen.

Zur Weihnachtszeit findet man des Öfteren Schriftstücke wie „Der Name dieses Buches ist geheim“ in den Schaufenstern der Bücherläden. Aufwendig verpackt, mit bunten und geheimnisvollen Umschlägen und einer vermeintlich spannenden Handlung. Doch sobald man über das Äußere hinweg vorgedrungen ist, stellt sich beim Leser Ernüchterung ein. Anstatt zu steigen, scheint die Spannung zu fallen. Man fragt sich ob dieses Buch nicht um des Lesens Willen geschrieben wurde, sondern nur um die Kasse laut klingeln zu lassen. Zwar bedient sich dieser Pseudonymous Bosch einer besonderen Erzählweise, mit der er dem Leser viel Freiraum lässt und bei dem die Geheimnistuerei überwiegt. Leider übertreibt er dies dermaßen, dass es selbst für hartgesottene Bücherwürmer zur Qual wird, sich durch die Lektüre zu kämpfen. Oft genug sieht man sich dazu gezwungen vorzublättern, um nicht völlig den Faden zu verlieren. So kommt es häufig vor, dass der Leser dazu aufgefordert wird, sich z.B. Charaktere wie die beiden Protagonisten selbst zu erfinden, im nächsten Moment jedoch gibt der Schriftsteller ganz entscheidende Informationen über sie preis und untergräbt damit die Handlung. Überhaupt wird das Geschehen im weiteren Verlauf immer übertriebener und unglaubwürdiger.

So urteilt auch unser Luftipferdchen und verteilt den Lauen Lufti, während es die letzten Seiten mit einem geringschätzigen Blick einfach überspringt.