21. Prämierungsrunde des Pegasus-Leserpreises vom März 2013
Goldener Lufti - Anoush Elman und Edward van de Vendel: Der Glücksfinder
Jurygebründung: Als Achtjähriger erfährt Hamayun den Kampf gegen die Taliban hautnah. Da seine Familie für ein demokratisch aufgebautes Afghanistan ist, haben die Taliban die Familie ins Auge gefasst. Um dem Terror zu entliehen, macht Hamayuns Familie sich auf gen Westen nach Europa. Ihre entbehrungsreiche Flucht endet vorläufig in einem Asylheim in den Niederlanden. Während sie auf die Annahme ihrer Einbürgerungsanträge warten, lernt Hamayun Niederländisch, trifft seinen älteren, vorgereisten Bruder wieder und wird langsam aber sicher erwachsen. Hamayun fällt es am leichtesten von der ganzen Familie, sich zu integrieren, er findet Freunde – und verliebt sich zum ersten Mal. Hamayun verarbeitet seine schrecklichen Erlebnisse in Sachen Krieg und Flüchtlingsein in einem Theaterstück, das die Familie vorläufig bestärkt und eint. Doch dann kommt es zum alles entscheidenden Prozess – darf Hamayuns Familie in den sicheren Niederlanden bleiben?
Der von zwei Autoren geschriebene Roman vermittelt dem Leser mal eine ganz andere Sicht auf die Geschehnisse in Afghanistan. Direkt und eindringlich appelliert dieses realistische Werk an den Leser, mit Hamayun mitzufiebern und immer wieder neu zu hoffen. Ist eine Phase der Handlung abgeschlossen, kommentiert der zurückblickende Hamayun das Geschehene. Die gesamte Geschichte hat eine deprimierende Wirkung, auch wenn der Leser sich zum Schluss zwischen den zwei möglichen Enden entscheiden kann. Doch immer wieder vermag es der älter werdende Hamayun, den Leser durch seine unbeschwerte Art zum Weiterlesen zu veranlassen. Nicht nur, dass man auf weitere Wendungen im Leben des Flüchtlings hofft, man kann sich plötzlich mit ihm identifizieren und sowohl seine Wut als auch seine Angst verstehen. Für diesen einfühlsam erzählten Roman vergibt unser Luftipferdchen gerne den Goldenen Lufti und wünscht ihm viele Leser. (Hamburg: Carlsen, 2011)
Silberner Lufti - Michele Jaffe: Wer schön sein will, muss sterben
Jurybegründung: Eigentlich ist Jane ein typisches Highschoolmädchen. Na ja, ganz so typisch ist sie dann doch wieder nicht. Sie bildet zusammen mit ihren Freundinnen Langley und Kate das beliebteste Trio der Schule. Die drei gehen auf Partys, Shoppen – was man eben so macht als BFF. Doch dann kommt die Nacht der Party: ein paar Stunden später wird Jane halbtot aus einem Rosenbusch gezogen und wacht in der Intensivstation des Krankenhauses auf. Sie hat keine Ahnung, was während der Party geschehen sein könnte. Alle sind sehr besorgt um sie. Das Auto hätte Jane nur ein paar Millimeter weiter oben am Kopf treffen müssen und sie wäre gestorben. Erst am Ende kommt man darauf, wer Jane die Drogen gegeben hatte. Alles wird nach und nach aufgelöst, indem Jane langsam ihre Erinnerungen zurückbekommt.
Die Autorin setzt Jane als Ich-Erzählerin ein. In kursiv gehaltenen Passagen kann der Leser einige wenige Ereignisse aus der Partynacht erfahren. Man fühlt sich die ganze Zeit auf eine falsche Fährte gelockt. Immer wieder werden Szenen geschildert, die vor der Partynacht geschahen und in diesem Moment wichtig oder auch weniger wichtig für die Handlung sind. Unserer Meinung nach hätten einige dieser Passagen durchaus gekürzt werden können, da manchmal einfach zu viele Details zur Sprache kommen. Dies stört beim Lesen ein wenig, da man am liebsten sofort in der Jetztzeit weiterlesen möchte, um auf die Spur des Mörders zu kommen. Allerdings gibt es auch Passagen, die man sich durchaus etwas detaillierter gewünscht hätte, wie beispielsweise die Szene, in der Jane im Krankenhaus aufwacht. Der Lesefluss wird durch diese Makel aber nur minimal gestört, sodass man die ganze Zeit mit der Protagonistin mitfiebern kann. Mit der Figur der Jane kann man sich wirklich gut identifizieren, da häufig auch alltägliche Situationen aus ihrem Leben beschrieben werden, die dem Leser vertraut vorkommen. Die ganze Story wirkt sehr glaubhaft, auch wenn man sich nicht vorstellen möchte, an Janes Stelle zu sein.
Obwohl das Futter sehr nährreich (fast 500 Seiten) ist, bleibt der Appetit bei Lufti erhalten. (Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag, 2011)
Bronzener Lufti - Sharon Dogar: Prinsengracht 263 – Die bewegende Geschichte des Jungen, der Anne Frank liebte
Jurybegründung: „Werden wir eines Tages Fantasiegestalten sein? Sind wir dann nur noch wie eine von Annes Geschichten?“
Nein! Denn Sharon Dogar erzählt im Buch „Prinsengracht“ die ursprüngliche Version des 13-jährigen Mädchens völlig neu. Dieses Mal bekommen wir einen Einblick in das Zusammenleben im Hinterhaus aus der Sicht ihres Freundes Peter van Pels. Geschildert ist die Situation vom 13. Juli 1942 bis zum Mai 1945. Juden sind in Gefahr, deshalb beschließen die van Pels und die Franks, sich im Hinterhaus zu verstecken. Peter, also der Sohn des Hermann van Pels, ist anfänglich skeptisch und vermisst seine Freundin Liese. Schrittweise lernt er aber sich zurechtzufinden. Auch Anne und die Schwester Margot spielen eine große Rolle für ihn.
Die Autorin erzählt die bekannte Anne-Frank-Geschichte in der Ich-Perspektive von Peter van Pels. Die kurzen Textpassagen aus der Zeit im Konzentrationslager, die zwischendurch und am Ende auftauchen, sind eine innovative Weise, die Geschichte spannend und für junge Leser interessant zu gestalten. Auch ohne das Tagebuch der Anne Frank gelesen zu haben, kann man das Geschehen nachvollziehen.
Peter erzählt von einer furchtbaren Vergangenheit, und es ist es erstaunlich, wie ähnlich seine Gedanken unseren heute sind. (Stuttgart: Thienemann, 2011)
Lauer Lufti - Kiersten White: Flames 'n' Roses – Lebe lieber übersinnlich
Jurybegründung: Evie ist kein normales sechzehnjähriges Mädchen, wie man zunächst vermuten könnte: Sie liebt das Shoppen und quatscht am liebsten mit ihrer Freundin Lish. Dass Lish eine Meerjungfrau ist, sollte einen jedoch stutzig machen. Außerdem hat Evie eine besondere Gabe: Sie kann hinter die Fassade paranormaler Wesen blicken. Somit kann sie der IBKB, der internationalen Behörde zur Kontrolle Paranormaler, bei der Registrierung von Paranormalen wie Zombies, Moorhexen und Werwölfen helfen. Schwierig wird es für Evie erst, als ein Fremder in die IBKB einbricht: Lend. Den kann sie nicht so recht einordnen. Während sie sich zunehmend von der harten Arbeit in der IBKB eingeengt fühlt, fasziniert sie dieser Fremde mit seiner freiheitlichen Art zu denken. Lend ist auf der Suche nach einem Wesen aus Feuer, das mehr und mehr Paranormale tötet. Schließlich stellen Evie und Lend gemeinsam Nachforschungen an und kommen sich dabei näher.
Kiersten Whites schier unbegrenzte Fantasie spielt in ihrem Debutroman „Flames 'n' Roses“ eine große Rolle. Ihre vielseitigen Charaktere ermöglichen dem Leser Einblicke in das Leben eines jungen Teens. Das für Jugendliche interessante Thema der Liebe wird allerdings nicht altersgerecht umgesetzt und der junge Leser fühlt sich unterfordert durch das einfache Sprachniveau und die behandelten Konflikte. Denn wenn Evie sich in der Welt der Paranormalen aufhält, bekommt der Leser nur einen sehr oberflächlichen Eindruck von den Monstern, Feen, Meerjungfrauen und sonstigen Wesen. Auch die vielen Handlungsschritte lassen den Eindruck nicht konkreter werden. Das Sujet „zwischen Realität und Fantasie“ könnte auf einen gesellschaftskritischen Roman schließen lassen. Allerdingt enttäuscht schon der klischeehafte Einband: eine rosa Evie trägt eine Rose in der Hand. Und genauso kitschig wird die Geschichte vorgeführt, sodass ein enttäuschter Leser zurück bleibt. (Bindlach: Loewe, 2011)