20. Prämierungsrunde des Pegasus-Leserpreises vom 1. März 2012

Goldener Lufti - Ellen Hopkins: Crank

Jurybegründung - „Ich raste mit Vollgas und ohne Tempolimit bis in den Wahnsinn…“

Die unerfahrene Christina besucht ihren Vater, der sie und ihre Mutter vor vielen Jahren verlassen hatte. Dort lernt sie Adam kennen und mit ihm auch eine ganz andere Welt, in der sie sich als „Bree“ völlig neu erfindet. Adam führt „Bree“ in die Drogenszene ein. Christina probiert bald ihre erste Linie Crank, ist total begeistert und möchte unbedingt mehr davon.

Als sie nach Hause zurückkehrt, hat sie keine Lust auf ihre alten Freunde und verändert sich radikal. „Bree“ kommt immer öfter zum Vorschein. Sie geht erst mit Chase und dann mit Brendan aus, beide besorgen ihr Crank. Brendan vergewaltigt sie und ihre perfekte Welt bricht zusammen. Als sie sich nach langem Schwei­gen Chase anvertraut, mit dem sie jetzt zusammen ist, möchte er ihr helfen. Aber Christina ist von Brendan schwanger.

Dieses Buch spricht eine sehr aktuelle Thematik an, die sowohl viele Jugendliche als auch Erwachsene betrifft. Die Schilderung verschafft einen Eindruck von der Drogenwelt und ermöglicht, sich der Konsequenzen und Gefahren bewusst zu werden.

Ein bemerkenswerter Aspekt der Erzählweise ist die Rolle der Freunde. Ohne deren Unterstützung könnte Christina ihre Pro­bleme nicht angehen. Die Autorin wählt eine außergewöhnliche Schreibweise: Erzählt wird durchgängig in Versen, was den Leser dazu anhält, nahezu jedes Wort auf seine Bedeutung abzuklopfen. Die Bezeichnung „Monster“ für „Crank“ zeigt, wie Ellen Hopkins zu Drogen steht. Die Ich-Perspektive erleichtert es dem Leser, sich in die Situatio­nen hineinzuversetzen. Die spannende Erzählung lässt keine Lange­weile aufkommen. Durch Sprach­bilder wie Metaphern wirkt die Erzählung lebendig.

Unser Luftipferdchen ist sehr angetan von der außergewöhn­lichen Verserzählung und der Konfliktgestaltung, sodass es mit einem kraft­vollen Wiehern „Crank“ zu einem sehr würdigen Träger des Goldenen Lufti erklärt. (Hamburg: Carlsen 2010)

Silberner Lufti - Gabriele Gfrerer: Infinity

Jurybegründung - Klara führt ein ganz normales Leben, wie jeder Jugendliche. Sie chattet oft mit Richi und verbringt die Freizeit mit ihren Kumpels Jonas und Rudi.

Eines Nachmittags jedoch, als Klara, Jonas und Rudi zusammen ferngesteuerte Flug­zeuge ausprobieren und Rudi sich scherzhaft über Klaras Flugkünste äußert, rastet Jonas völlig aus und prügelt Rudi krankenhausreif. Jonas kann sich später jedoch an nichts mehr erinnern. Nach ein paar Tagen wird Richi tot, angeb­lich infolge einer Überdosis Drogen, aufgefunden. Richi war aber nie der Typ, der Drogen genommen hätte. Es kommt zu weiteren Zwischen­fällen, bei denen Jugendliche grundlos auf andere einprügeln und sich später an nichts mehr erinnern können. Klara und ihre Freunde wollen die Ursache des merk­würdigen Verhaltens auf­spüren. Dabei geraten sie in ein verzweigtes Netz aus Genia­lität, Wissenschaft und Skrupellosigkeit.

„Infinity“ ist ein sehr spannender und teilweise wissenschaftlicher Thriller zum aktuellen Thema Genmanipulation und wirft immer wieder ethische Fragen auf. Was ist erlaubt und was nicht? Darf an Tieren und Menschen experimentiert werden? Diese Fragen sind noch nach dem Romanschluss präsent und regen zum Nach­denken und Nachforschen an. Gabriele Gfrerer erzählt aus der Perspektive eines Erzählers, der das Leben von Betroffenen beo­bach­tet. Sie nutzt eine Erzählweise, die an guten Journalismus erinnert. So wird das Buch „Infinity“ zu einem absolut lesens­werten und action­reichen Jugendroman. Der Thriller weckt schon beim ersten Anblick und Anlesen die Aufmerksamkeit des Lesers. Die Autorin versteht es, diese Wissbegier aufrecht zu erhalten, indem sie die Handlung sehr anschaulich schildert. Allerdings scheint das Ende ziemlich kompliziert.

Dieses Buch sticht aus der Reihe der Jugendbücher heraus, weil es den Leser wachrüttelt. Unser Luftipferdchen konnte diesen Atem raubenden Jugendroman nur schwer zur Seite legen, da es unbedingt wissen wollte, wie es weiter geht und verleiht ihm deswegen den Silbernen Lufti. (Stuttgart: Thienemann 2011)

Bronzener Lufti - Marie-Aude Murail: So oder so ist das Leben

Jurybegründung - Violaine ist siebzehn, besucht die 12. Klasse im naturwissen­schaftlichen Bereich und telefoniert für ihr Leben gern mit ihrer Freundin Adelaide. Mit ihrem Freund Domi hat sie erst einmal geschlafen. Aber der Test konfrontiert Violaine mit der Wahrheit: Sie ist schwanger. Nach intensiven Gesprächen mit der fast anklagenden Frauen­ärztin, einem freundlichen Arzt und einer hilfsbereiten Fami­lien­beraterin muss sie einen Entschluss wagen …

Die Autorin Marie-Aude Murail überrascht den Leser einmal mehr mit ihrem realistischen und komischen Schreibstil. Sie vermag es, dem Leser das Besondere an einer alltäglichen Situation zu zeigen. Indem sie viele Beschreibungen einflicht, kann der Leser sich gut in die Vorkommnisse hineinversetzen und dem Geschehen folgen. Ab und zu scheint die Handlung zu detailreich erzählt, und man ertappt sich beim Lesen, unge­duldig auf entscheidende Schritte zu warten.

Violaine hat anfangs einen sehr schwierigen Charakter, mit dem man sich kaum identifizieren kann. Ihr Verhalten wirkt teilweise schwer verständlich.

Der Sarkasmus im Schreibstil der Autorin kann immer wieder erfrischen, doch in unangenehmen Situationen ist er zumeist erdrückend. Der Leser erkennt schnell die verschiedenen Charaktere und nimmt deren Veränderungen durch die ein­fühlsame Erzählweise wahr. Marie-Aude Murail bleibt wechselweise an ihren Protagonisten dran: jeweils der Blickwinkel der am Konflikt beteiligten Personen wird deutlich — so kann sich der Leser der Tragweite der Handlungen bewusst werden.

Unser Luftipferdchen ist glücklich über den Ausgang des Romans und die hervorragende Lösung des Problemknäuels. So stellt es mit einem guten Gefühl und dem Wedeln seines Schweifes das Buch in die Reihe der Preisträger. (Paris: Fischer Schatzinsel 2006)

Lauer Lufti - Hortense und Allyssa Ullrich: Schlaflos in Hamburg

Jurybegründung - folgt

(Hamburg: Rowohlt 2010)